Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen müsste oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.  – Nelson Mandela

Für Menschen jeder spirituellen Tradition ist „Die Feinde lieben“ ein Ideal. Mahatma Gandhi praktizierte dies nicht weniger inspirierend als der der hl. Franz von Assisi. Das Wort von Jesus wird in Erinnerung gerufen: „Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und betet für eure Verfolger“ (Mt 5:44). Und dies wiederum ruft in Erinnerung, was G.K. Chesterton sagte: „Keineswegs wurde das christliche Ideal erprobt und als unzulänglich erkannt; man fand es schwierig und liess es unerprobt“. Ja, schwierig, aber in hohem Masse wert zu erproben, besonders in unserer durch Feindseligkeit zerrissenen Welt. In der Lage, in der wir uns zurzeit befinden, haben wir nicht viel zu verlieren, wenn wir alles versuchen. Wer weiss? Unsere Feinde zu lieben, ist vielleicht unser einziger Ausweg.

Wie können wir es also angehen, unsere Feinde zu lieben?

º Erweise deinen Feinden den aufrichtigen Respekt, den jedes menschliche Wesen verdient. Lerne, mit Mitgefühl über sie zu denken.

º Um das Mitgefühl zu kultivieren, mag es helfen, dass du dir deine Feinde als die Kinder vorstellst, die sie einmal waren (und irgendwie bleiben).

º Verteile Mitgefühl nicht von oben herab, sondern begegne in deiner Vorstellung deinen Feinden immer auf Augenhöhe.

º Gib dir alle Mühe, sie besser kennenzulernen und zu verstehen, ihre Hoffnungen, ihre Befürchtungen, Sorgen und Ambitionen.

º Suche nach gemeinsamen Zielen, lege sie klar dar und bemühe dich, um diese Ziele zu erreichen, Wege gemeinsam zu erforschen.

º Klammere dich nicht an deine eigene Überzeugung. Überprüfe sie mit aller Aufrichtigkeit, die du aufbringen kannst, vor dem Hintergrund der Überzeugungen deiner Feinde.

º Lade deine Feinde ein, die Aufmerksamkeit auf ihr Anliegen zu lenken. Halte dabei deine eigene Überzeugung zurück.

º Beurteile niemanden, aber schau die Auswirkung ihrer Handlungen genau an. Bauen sie das allgemeine Wohl auf oder gefährden sie es?

º Schau mit nüchternem Blick auf die Ziele deiner Feinde und bewerte sie mit Fairness. Verhindere sie entschlossen falls nötig.

º Um deinen Feinden in einem bestimmten Problem entgegenzuwirken, vereinige dich mit der grösstmöglichen Bandbreite von gleichgesinnten Leuten.

º Wann immer möglich, erweise deinen Feinden Güte. Tu ihnen so viel Gutes wie du kannst. Zumindest wünsche ihnen aufrichtig alles Gute.

º Im Übrigen vertraue dich und deine Feinde dem Grossen Geheimnis des Lebens an, das uns solch verschiedene – und oft gegensätzliche – Rollen zugewiesen hat und das uns beistehen wird, wenn wir unseren Part mit Liebe spielen.


Dieser Text ist ein Ausschnitt aus dem Artikel „Love Your Enemies!“ What Does It Mean? Can It Be Done?“, den Br. David Steindl-Rast im Februar 2017 schrieb. Der ganze Artikel ist auf gratefulness.org in amerikanischer Sprache nachzulesen. (Deutsche Übersetzung: Eve Landis)


Br. David Steindl-Rast
Br. David Steindl-Rast, OSB

Br. David Steindl-Rast, OSB

About the author

Brother David Steindl-Rast — author, scholar, and Benedictine monk — is beloved the world over for his enduring message about gratefulness as the true source of lasting happiness. Known to many as the “grandfather of gratitude,” Br. David has been a source of inspiration and spiritual friendship to countless leaders and luminaries around the world including Desmond Tutu, the Dalai Lama, Thich Nhat Hanh, Thomas Merton, and more. He has been one of the most important figures in the modern interfaith dialogue movement, and has taught with thought-leaders such as Eckhart Tolle, Jack Kornfield, and Roshi Joan Halifax. His wisdom has been featured in recent interviews with Oprah Winfrey, Krista Tippett, and Tami Simon and his TED talk has been viewed almost 10,000,000 times. Learn more about Br. David here.